Sonntag - August - 14.08.2005 - 08:00 Uhr
» Im Segelflugzeug nach Dobersberg
Ein Bericht über’s Thermikfliegen und Thermalbaden

Nachdem in den letzten Jahren die Berichte vom Segelfliegen doch recht kunstfluglastig waren, schreib ich hier mal wieder was übers „normale“ Segelfliegen.
Wenn man bedenkt, dass allein heuer in den österreichischen Alpen schon mindestens 20 Piloten Flüge über mehr als 1000km im reinen Segelflug geschafft haben, dann sollte eigentlich ein Flug nach Dobersberg und retour nicht mal eine Randnotiz wert sein.
Trotzdem hat Dobersberg für den Segelflug in Stockerau eine relativ hohe Bedeutung weil
1.) das Flachland nicht mit den Alpen verglichen werden kann
2.) der Deckel in Form der SRA Wien eine gewisse Herausforderung darstellt
3.) zwischen LOAU und LOAB auf 90 km leider kein Flugplatz ist
4.) der Streifen zwischen Allentsteig und der tschechischen Grenze mit rund 20 km fürs thermische Fliegen nicht allzu breit ist
Diese Einschränkungen sorgen dafür, dass man bei uns als Segelflieger doch einigermaßen fit sein muss, damit man sich einen Streckenflug von „nur“ 200 km zutraut. Für mich persönlich ist Dobersberg von Stockerau aus fast mehr wert als mein 350km-Flug in den Alpen. Für Fritz Janach und Rudi Frenslich ist diese Strecke sowieso nur zum Warmfliegen - Zitat Rudi: „Fritz, fliag ma no schnö an Speed-Run noch Dobersberg“

Vorbereitung
Schon 2-3 Tage vor dem 1. August läuten bei mir beim morgendlichen Blick auf die Wettervorhersagen alle Alarmglocken. Für den Donauraum ist mäßige Blauthermik und fürs Waldviertel Wolkenthermik mit 1-2/8 Cu-Bewölkung in 2400m bei allgemein schwachem Wind angesagt. Bei der bekannten Zurückhaltung der Flugmeteorologen heißt das für mich nichts anderes, als dass der vielleicht beste Tag des Jahres für meinen lange geplanten Flug nach Dobersberg bevorsteht.
Obwohl ich noch telefonisch versuche, andere zum Segelfliegen zu motivieren, steh ich zu Mittag ziemlich alleine am Platz. Naja, jeder hat halt nicht das Glück, dass er sich kurzfristig an einem Montag einen Urlaubstag für Fliegen nehmen kann, aber wieso Günter Mayer diesen Tag in der Therme Laa vergeuden will, versteh ich überhaupt nicht.
Kann natürlich auch sein, dass ich den Tag viel zu optimistisch einschätze – egal, wenn ich schon am Flugplatz bin wird auch geflogen. Entweder wird sich Günter im Bad in den Allerwertesten beißen oder ich sitze hinter Hollabrunn am Acker.
Go, der eigentlich auch Urlaub hat, kommt zufällig am Flugplatz vorbei und wird natürlich gleich als Schlepppilot angeheuert. Bei meiner Startvorbereitung beobachtet mich ein Passant und kurz danach stellt sich heraus, dass er vor Jahren selbst mal segelgeflogen ist. Er ist ein ganz netter Herr, aber meine Gedanken sind schon voll auf die Startvorbereitung konzentriert und zum Plaudern hab ich natürlich auch keine Zeit mehr. Zumindest hab ich jetzt einen Starthelfer, der an der Tragfläche mitlaufen kann.

Start und Abflug

Zum Start auf der 25 selbst fällt mir jetzt eigentlich nix ein, aber als sich Go in rund 300m auf der Stockerauer Frequenz für Tulln abmeldet, hab ich schon ausgeklinkt. Eigentlich hirnrissig – mir wird sowieso ein 500m-Schlepp vom Konto abgebucht – vielleicht werd ich ja mal als Sponsor der KUB lobend erwähnt. Position ungefähr querab von unserem Lieblings-Anrainer Dr. V.
Der Einstieg in den ersten Bart ist trotz der extrem niedrigen Ausklinkhöhe ein Klacks und mit 2-3m/s geht’s nach der Freigabe vom Tullner Controller gleich in einem Zug bis zum Deckel in 4500ft – das gibt doch gleich vom Anfang an ordentlich Selbstvertrauen für den weiteren Flug.
Günter wird jetzt auch schon die aufbauenden Bummerl bemerkt haben.
Bis Hollabrunn fliege ich trotzdem relativ vorsichtig weiter, weil sich alle Cumulanten trotz brauchbarer Steigwerte über mir auflösen – die vorhergesagte Blauthermik im Donauraum.
Weil ich mich in der vergangenen Woche ungefähr 10 Stunden lang ebenfalls im Blauen ordentlich eingeflogen hab, bin ich zuversichtlich, dass ich auch am Heimweg durch diese Durststrecke komme und die herrlichen Quellwolken voraus lassen gar keinen Zweifel am weiteren Flugverlauf aufkommen. Mein Plan ist jetzt, möglichst schnell nach Norden voran zu kommen, weil die Wolken zur Grenze hin wesentlich besser entwickelt sind als im Bereich des Horner Becken.
Um Hollabrunn herum geht’s eher mäßig, aber ungefähr 15km voraus entwickelt sich ein Bilderbuch-Bummerl. Auf dem Weg zum (hoffentlich) nächsten Lift nach oben verlier ich noch reichlich Höhe und ein Abgleiten nach Stockerau würde jetzt wahrscheinlich irgendwo auf halbem Weg enden, aber als Plan „B“ hab ich jetzt sowieso schon ein weiteres Bummerl ca. 5km nördlich im Auge. Wenn das auch nicht zieht, setz ich den Flieger halt neben einen der vielen Mähdrescher unter mir auf eine bestens präparierte Landepiste. Zitat Fritz: „Auf Strecke immer nur nach vorne und nie nach hinten schaun“. In 600m über Grund steig ich in die Thermik ein und im Nu sind Plan „B“ und die Mähdrescher vergessen, weil’s mit 3-4m/s wie im Aufzug hochgeht. Die SRA ist sowieso schon hinter mir, daher steig ich gleich bis 1800mNN durch.
Günter hat definitiv die Fehlentscheidung des Jahres getroffen.

Segelfliegen in der schönsten Form

Ab jetzt beginnt’s richtig Spaß zu machen: Meine Flughöhe pendelt ständig zwischen 1700 und 2100mNN, alle paar km steht ein zuverlässiger Bart und dazwischen lasse ich meiner LS4 mit 160-180km/h freien Lauf. Unglaublich wie das Ding im Vergleich zu unseren Vereins-Astiren bei hohen Geschwindigkeiten gleitet. Die schwächeren Aufwinde werden im Geradeausflug mitgenommen und nur in den wirklich guten ziehe ich ein paar Kreise um kurz danach den Knüppel wieder ordentlich nach vorne zu drücken.
Hoffentlich ist in Laa wenigstens die Wassertemperatur angenehm.
Ungefähr querab von Geras kommt Dobersberg langsam aber sicher in meine Reichweite und daher beunruhigt es mich nicht allzu sehr, dass ich zeitweise nur mehr rund 800m Luft unter mir habe. Den Platz bin ich auch schon ein paar Mal mit einer Katana angeflogen und weil ich daher den Anflug und die lokalen Besonderheiten kenne, fühle ich mich gleich wie zuhause. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Motorfliegen gar keine so schlechte Ergänzung zum „richtigen“ Fliegen.
Bei Karlstein steig ich in einen mächtigen 4m-Bart ein und nur 6 Minuten später schaue ich aus 2200mNN genau in der Pistenverlängerung auf den nördlichsten Flugplatz Österreichs.
Vielleicht liest Günter jetzt ein spannendes Buch - „Wetterkunde für Segelflieger“ oder so.
Im Funk höre ich schon seit einiger Zeit ein paar Dobersberger Segelflieger, die offensichtlich auch auf Strecke sind und im Platzbereich wird das Thermikkurbeln geschult. Ich weis, dass ihre Flieger nicht mit Flarm (so eine Art Mini-TCAS für Segelflugzeuge) ausgerüstet sind, aber trotz dementsprechender Aufmerksamkeit sehe ich einen in gleicher Höhe entgegenkommenden Segler erst auf relativ kurze Entfernung. Da hab ich sicher schon mehr Geld sinnloser ausgegeben als die rund 500 Euro für das Flarm in meiner LS4 – nur hilft’s leider nix, wenn der Gegner keines hat. Diese Wunderkistln haben wir übrigens in allen Segelflugzeugen, die in Stockerau stationiert sind (außer den zwei L-Spatzen unserer Alt-Segelflieger - die haben leider keinen Strom im Flieger).

Dobersberg
Ich flieg noch ein Bummerl etwas nördlich vom Flugplatz an und überleg noch im Steigen wie ich den weiteren Flug anlegen werde. Obwohl’s nach Westen hin prächtig ausschaut entschließe ich mich trotzdem zum Heimflug – das eigentliche Ziel ist erreicht und ich will’s nicht gleich übertreiben und eine Außenlandung in der möglicherweise zusammenbrechenden Thermik riskieren.
In Laa werden’s sicherlich genug Bier haben – wird wohl Christa heimfahren müssen.
Beim Abflug von Dobersberg gebe ich auch wieder Stockerau in meinen Navigationsrechner ein: 88km und – ups, mein elektronischer Freund glaubt, dass wir ungefähr 1400m unter der Erdoberfläche in Stockerau ankommen werden. Im Gegensatz zum Computer sehe ich aber die herrlich Quellwolken voraus und weilst im Zeitalter von GPS-Loggern, wo im Sekundentakt Position, Höhe, Geschwindigkeit und Steigwerte aufgezeichnet werden, ein leichtes Schwächeln nicht mehr mit heldenhaften Schilderungen an der Bar kompensieren kannst, gibt’s nur eine logische Konsequenz - Steuerknüppel nach vorne.
Der Bart bei Karlstein saugt mich mindestens genauso gut nach oben wie beim Hinflug und dann scheint mir aber der Weg nördlich von Raabs und Geras besser entwickelt zu sein.
Christa kann sich jetzt sicher Günters Raunzerei anhören: „schau da de Bummerl on - wo i scho sei kentat - wiso hob i net am Pepperl ghert – a so a schaaaaas“ usw.
Ich möchte jetzt noch über Retz und Hadres weiterfliegen und zufällig liegt genau in der Verlängerung dieser Linie der Thermenort Laa, wo ein recht bodenständiger Freund von mir einen Wellness-Tag verbringt. Leider ist diese Entscheidung die einzig wirklich falsche auf dem ganzen Flug, weil sich das Bummerl bei Retz unmittelbar vor mir auflöst und der strahlend blaue Himmel bis weit hinter Laa sehr außenlandeverdächtig scheint. Plan „B“ ist zufällig wieder genau der selbe Bart wie schon beim Hinflug kurz nach Hollabrunn (der mit den Mähdreschern – nur haben die in der Zwischenzeit meine Landefelder noch etwas größer gemacht). Die Schnapsidee mit Laa hat mich unterm Strich rund 600 Höhenmeter gekostet und ich bin froh, dass ich über den arbeitsamen Landwirten wieder genügend Höhe für einen sicheren Heimflug nach Stockerau machen kann.
Was lernen wir daraus: Laa ist kein guter Boden für Segelflieger. Wahrscheinlich ist’s auch besser, dass ich nicht hinkomme. Kann ja sein, dass Günter dort mit irgendeinem Flugabwehrgeschütz auf mich wartet.

Wieder daheim

Nach ziemlich genau 3 Stunden bin ich wieder in Stockerau zurück und versuch’s noch eher lustlos Richtung Krems und Ernstbrunn, aber irgendwie fehlt mir jetzt der notwendige Biss zum konsequenten Weiterfliegen.
Irgendwo in der Nähe von Großmugl kreise ich ungefähr 1000m über Grund gemeinsam mit zwei Falken (die richtige natürlich, nicht die vom Flugplatz). Es ist schon bewundernswert, mit welcher Leichtigkeit diese Vögel das Zentrum des Aufwindes finden und plötzlich stürzt einer mit eng an den Körper gelegten Flügeln und hoher Geschwindigkeit unmittelbar neben mir nach unten. Unglaublich, dass er aus dieser Höhe noch seine Beute irgendwo unter uns erkennen kann. Ich sehe nur einen Traktor, aber den wird er vermutlich nicht im Visier haben.
Eigentlich könnte Günter ja auch im November ins Thermalbad fahren.
Als ich mich nach 4 Stunden endlich zur Landung entschließe, startet ein Flugschüler gerade zu seinem ersten Alleinflug. Da er sicher schon genug Stress im Cockpit hat, parke ich mich in einem besseren Nullschieber über den Windrädern ein und schau mir das Ganze von oben an. Am Funk erfahre ich, dass er eh nur eine Platzrunde fliegen wird, aber offensichtlich macht’s der zukünftige Pilot ganz gut, weil ich noch ungefähr 5x hör „Klappen rein und Gas nach vorne“. Nach der doch recht hohen Anspannung auf Strecke macht es aber Spaß, den Flug in der ruhigen Abendthermik ganz entspannt ausklingen zu lassen.
Wie kann man nur so einen Tag in der Badhose verbringen.

Auswertung
Das Auslesen des Loggers ergibt eine Gesamtstrecke von 250,46km, eine Flugzeit von 4:47 und den höchste Punkt habe ich mit 2224m in der Nähe von Raabs erreicht.
Für alle Statistik-Freaks unter uns hab ich unten neben der Flugwegaufzeichnung auch noch die genaue Auswertung des Loggers mit Barogramm, Steigwerten, Kreisfluganteilen, Windgeschwindigkeiten und den ganzen Schmarrn dazugegeben.

Link zur Loggeraufzeichnung
Günter könnte ja noch die Auswertung der Beckentemperatur in Laa nachreichen.

Fazit
Mit einer ordentliche Vorbereitung sind auch von LOAU Streckenflüge durchaus möglich.
Das lange Warten auf den richtigen Tag hat sich letztendlich ausgezahlt.
Der Flug selbst war relativ einfach und ohne viel Risiko durchführbar – ich hab in jeder Phase noch mindestens eine weitere Option vor einer möglichen Außenlandung gehabt.
Die Entscheidung, so früh wie möglich nach Norden vorzufliegen, war goldrichtig und auch sonst hab ich wenig falsche Entscheidungen getroffen (OK, Laa war wirklich eine Schnapsidee).
Das Jammern über die nicht so optimalen Segelflug-Bedingungen in LOAU nützt gar nichts – man muss halt nur die seltenen guten Tage nutzen.
Es wäre an diesem Tag noch wesentlich weiter gegangen (das ist aber sowieso die Standarderkenntnis aus jedem Streckenflug, der nicht am Acker endet).
Und der Tag war definitiv fürs Baden zu schade.

Weiterführende Links:
www.flug-wetter.at - leider ohne Beckentemperatur der Thermalbäder
www.therme-laa.at - für alle, die lieber baden gehen
www.psychohelp.at - für die, die doch lieber fliegen wären
www.anonyme-alkoholiker.at - letzte Hilfe für badende Segelflieger

Josef Reithofer
D-1387
“There's no place like the cloudbase”

Nachtrag:
Nächster Tag, die selben Hauptdarsteller. Günter, jetzt auch im Segelflieger, klinkt in 300m und kommt weg. Ich klinke noch tiefer und finde genau nix. Landung nach 5 Minuten und 10 Sekunden. Günter lacht sich einen Ast ab. Go wird sich die Hände reiben. 10 Minuten später wieder am Seil. Blauthermik, windzerrissen, extrem versetzt, unglaubliches Sinken, dafür wenig Steigen, 3 Stunden härtester Kampf gegen’s Absaufen.
Unterm Strich eindeutig ein Tag fürs Wellness-Bad.




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» von Josef Reithofer