Mittwoch - September - 19.09.2012 - 23:00 Uhr
» "Das geht so nicht - auf gar keinen Fall“
… das war noch eine der harmloseren Reaktionen auf meine Idee, den Behindertenflugtag und das Segelkunstflug-Trainingslager am gleichen Tag zu veranstalten.

Aber beginnen wir mit den Vorgeschichten:

Unser umtriebiger Senator Wolfgang Steinhardt hat mit seiner Lazarus-Union schon in den letzten 5 Jahren solche Behindertenflugtage organisiert und veranstaltet. Über den Verein kann jeder denken, was er will, aber wer jemals die leuchtenden Augen dieser ganz besonderen Passagiere gesehen hat, kapiert schlagartig, wie wichtig dieser Tag für diese Menschen ist, die nicht im Zentrum unserer erfolgsmaximierten Leistungsgesellschaft ihr Alltagsleben meistern müssen.

Das Segelkunstflug-Trainingslager veranstalte ich in meiner Funktion als Segelkunstflugreferent des NÖ Aeroclubs ebenfalls schon seit einigen Jahren in Stockerau. Auch darüber und über die Kunstfliegerei an sich kann jeder denken, was er will, aber Fakt ist, dass wir damit in Stockerau Kunstfluginteressierten wesentlich bessere Möglichkeiten als jeder andere Platz in Österreich bieten können. Der hervorragende 7. Gesamtrang von Gabriel Stangl bei den „FAI World Advanced Glider Aerobatic Championships“ wäre ohne diese Trainingsmöglichkeiten sicher nicht möglich gewesen.

Beide Veranstaltungen sind also schon vor Monaten geplant und veröffentlicht worden und praktisch nicht verschiebbar. Wolfgang hat die Autobusse für die Behinderten, Flugzeuge, Piloten, eine Heerschar von Helfern und sogar eine Bigband geordert. Von meiner Seite ist die Ausschreibung für diesen Termin schon im März an alle niederösterreichischen Segelflugvereine gegangen, Trainer und Teilnehmer haben zugesagt und überdies ist die Fox sowieso bis Ende Oktober ausgebucht.

Jeder dieser Events ist früher unabhängig voneinander, aber bei normal laufendem Wochenend-Flugbetrieb durchgeführt worden und hat so schon bisher unsere Betriebsleiter bis aufs Äußerste gefordert. Aus diesem Grund hat sich aber auch keiner von uns viele Gedanken um den restlichen Flugbetrieb gemacht und erst 2 Wochen vor der Veranstaltung ist uns allen die Terminkollision bewusst geworden.

Nach den ersten Geplänkeln an Käpt‘n Tschända‘s Budel und am Muppetsbankerl habe ich einfach den Herrn Senator angerufen und er war sofort begeistert von der Idee, beide Veranstaltungen gleichzeitig zu veranstalten. Der Vorstand hat schon vorher (wohl eher mangels Alternativen, als aus Überzeugung) sein ok dazu gegeben. Damit hat aber die eigentliche Arbeit erst begonnen: Besprechungen, Telefongespräche, Retti hat als „Flottenchef“ mögliche Flugrouten erstellt und wir haben Zeitabläufe für den Schleppverband, die 6 Rundflug-Cessnas und 2 Hubschrauber ausgearbeitet. Go hat 2 NOTAMs herausgegeben, eins für den Kunstflugbetrieb und mit einem weiteren den Platz praktisch für Fremdflieger geschlossen. Die Betriebsleitung sollte gemeinsam mit Retti vom Segelflugstart aus erfolgen und den Stockerauer Luftraum haben wir uns einfach brüderlich geteilt: Nördlich der Pistenverlängerung für die Rundflieger und südlich für die Segelflieger.

Am Abend vor dem Veranstaltungstag hat Retti die Rundflugzeiten der letzten Jahre ausgegraben – und wir haben alle Pläne wieder über den Haufen geschmissen, weil die tatsächlichen Zeiten deutlich kürzer als unsere Annahmen waren und so eine zeitliche Separierung innerhalb des 30-minütigen Startintervalls möglich geworden ist: Zuerst starten alle Rundflugmaschinen, danach stellen wir den Schleppzug auf und warten mit dem Start bis der erste Rundflieger (Peter Janda, eh klar) Burg Kreuzenstein meldet. Während wir Schleppen landen alle Rundflieger und beim Ein- und Ausladen der Passagiere gehört der Luftraum dem Kunstflug. Wir könnten mit den 2 Kunstflugmaschinen zwar mit etwas höherer Frequenz starten und verlieren so 3-4 Kunstflüge, aber dieser Ablauf ist für alle Beteiligten durchschaubarer und sollte auch vom BL-Kammerl kontrollierbar sein.

Und dann ist auch noch die Firma Austro-Control ins Spiel gekommen, aber da meine ich nicht den Veranstaltungsbescheid, den Go in bewährter Manier rechtzeitig organisiert hat, sondern die Anflugkontrolle Wien. Der einzige Schwachpunkt bei der ganzen Sache war nämlich unser Schlepppilot, was aber nicht heißen soll, dass Günter, Franz, Erich oder ich Wappler wären, sondern wir für ein bewerbsmäßiges Kunstflugtraining das Segelflugzeug auf 5000ft schleppen müssen und somit eine Freigabe für die SRA Wien IV benötigen.

Unser bewährtes Verfahren, das die KUB sicher zum bekanntesten Flugzeug unserer Flotte bei den Controllern gemacht hat, läuft ungefähr so ab: Wir sagen bei jedem Schlepp auf Wien Information unser Sprücherl „OE-KUB, DR40, just departed Stockerau, glider towing, request 5000ft overhead Stockerau for glider aerobatic training“ auf, bekommen QNH, Squawk (meist eh gleich einen permanenten für den ganzen Tag) und etwas später die Freigabe „OE-KUB, Wien Radar cleared you to operate airspace C, VFR 5000 ft or below, overhead Stockerau airfield, report glider below SRA’s“. Beim Abstieg requesten wir natürlich das Verlassen der Frequenz und wer schon mal an einem schönen Wochenende auf Wien Information mitgehört hat, wird verstehen, warum wir schon beim Abheben auf die Frequenz umschalten. Und darin liegt auch der Hund begraben, weil der Schlepppilot für alle anderen nicht erreichbar ist, was noch das geringere Problem ist, aber er bekommt auch für den Großteil des Schlepps nicht mit, was in dieser Zeit im Platzbereich los ist und das kann bei so einer großem Anzahl von Flugbewegungen zu einem echten Problem werden.

Ich rufe also kurzerhand beim Approach Supervisor an und versuche ihm zu erklären, dass wir eine Freigabe fürs ganze Wochenende und noch dazu auch im Airspace C auf der Platzfrequenz bleiben wollen. Anstatt in haltloses Gelächter oder einen Wutanfall auszubrechen, meint er nur, dass da sicher etwas möglich wäre, aber ich soll ein eMail an seinen Vorgesetzten schicken. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll und schreibe halt mein eMail: Wie wir bisher verfahren sind, was wir wollen, warum wir das wollen, welchen Bereich der SRA wir brauchen und wie ich mir das alles vorstellen könnte.

Am nächsten Morgen komme der Anruf vom Manager der Anflugkontrolle Wien höchstpersönlich und er meint, dass alles sehr gut aufgearbeitet ist, wir es genauso machen werden, er gleich eine Anweisung an seine Supervisor schreiben wird und bei irgendwelchen Problemen könne ich ihn auch am Wochenende anrufen – ich bin über diese zuvorkommende Behandlung meines Anliegens echt überrascht. Am Nachmittag der nächste Anruf mit der kleinen Einschränkung, dass wir innerhalb der SRA, sprich über 4500ft, auf Wien Information zumindest hörbereit sein sollen – aber auch damit können wir gut leben und das ist wesentlich mehr, als ich mir ursprünglich erwartet habe.

Genauso läuft dann auch der Flugbetrieb an beiden Wochenenden ab: Zuerst rufe ich den Supervisor an und bekomme telefonisch gleich einen Squawk und die Freigabe für den ganzen Tag. Beim ersten Flug meldet sich der Schlepppilot auf Wien Information zum Transpondercheck und das wars dann auch schon mit der Funkerei für den Rest des Tages. Wir schalten nur knapp unterhalb des 4500ft-Deckels auf Wien Information und im Abstieg wieder zurück und nur beim allerletzen Flug melden wir uns entweder per Funk oder telefonisch wieder ab.

Am Freitag, den 7.9. beginnen wir unser Segelkunstflug-Trainingslager noch eher gemütlich mit 9 Trainingsflügen, wobei wir aber gleich das oben beschriebene Verfahren mit Wien Approach ausprobieren und natürlich alles bestens funktioniert.

Der Samstag ist mit den Behinderten-Rundflügen für alle Beteiligten alles andere als gemütlich: 6 Rundflug-Cessnas, 1 Antonov, 2 Hubschrauber, 1 Schleppmaschine, 2 Segelkunstflugzeuge (natürlich gegen die Pistenrichtung landend), 2 Autobusse Fluggäste, rund 100 Lazarus-Helfer, 10 Kunstflugpiloten. Die knapp 100 Rundflüge mit fast 300 Passagieren und unsere 20 Segelkunstflüge laufen wie am Schnürchen und es gibt den ganzen Tag keine auch nur ansatzweise kritische Situation. Das NOTAM hat zumindest der eine gelesen, der bei Go angerufen hat und alle anderen, die das NOTAM nicht gelesen oder ignoriert haben, werden auch noch irgendwie eingeschleust. Am Abend sind zwar alle froh, dass es vorbei ist, aber auch stolz darauf, zum reibungslosen Ablauf dieses sicherlich flugbewegungsstärksten Tag des Jahres beigetragen zu haben. Dieser Behinderten-Flugtag 2012 ist ein starkes Zeichen dafür, was alles möglich ist, wenn Motorflieger, Segelflieger, Hubschrauberpiloten, Betriebsleitung und unzählige Helfer an einem Strang ziehen und bereit sind, auf die jeweils anderen Rücksicht zu nehmen.

Am Sonntag und dem darauffolgenden Wochenende dominiert wieder der Segelkunstflug den Flugplatz. Die KUB wird praktisch nur mehr zum Tanken abgestellt und nicht einmal die leergewordenen Avgas-Tankstelle und die Automobil-Veranstaltung am 2. Wochenende können verhindern, dass diese Kunstflug-Trainingslager das mit Abstand erfolgreichste seit Beginn geworden ist.

Hier noch ein paar Impressionen vom Segelflugbetrieb:
Man beachte bitte die Girlie-Power am Traktor mit 3 angehängten Hochleistungs-Segelkunstflugzeugen, Sepp's Bodentraining mit dem improvisierten Rückenflugsimulator und Erich's Müdigkeit nach 20 Schleppflügen und 5 Stunden reiner Flugzeit ist durchaus nachvollziehbar.

90% der Fotos sind von Desi, die restlichen von Koni, Sigi und mir.

Die Eckdaten des Segelkunstflug-Trainingslagers:
  • 18 Teilnehmer aus Dobersberg, St. Georgen und Stockerau
  • 3 Segelkunstflugzeuge: Dobersberger Fox, Spinning-Hawks Fox und der Swift der Nationalmannschaft
  • 131 Segelkunstflüge
  • 157300m Schlepphöhe gesamt
  • 33:17 Flugzeit für die KUB

So, und das muss bei aller mehr oder weniger gerechtfertigten Kritik an der ACG auch einmal gesagt werden:
Die Burschen und Mädels von Wien Approach und Wien Information sind äußerst kooperativ und unterstützen auch die "kleine" Fliegerei neben ihrer eigentlichen Aufgabe, die Airbusse und Boeings sicher nach Schwechat zu bringen. Mit entsprechender Vorbereitung sind sie auch für unkonventionelle Verfahren zu haben, aber müssen sich dabei natürlich an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten. Mein ursprünglicher Wunsch, dass die KUB überhaupt auf der Platzfrequenz bleiben kann, war diesbezüglich schon sehr überzogen, aber sie haben uns zumindest den größten legal möglichen Freiraum gelassen und haben damit entscheidend zur Entlastung unserer Schlepppiloten und zum sicheren Flugbetrieb beigetragen. Keine Ahnung, mit wie vielen verschiedenen Controllern ich an diesen 6 Trainingstagen telefoniert habe, aber alle waren wirklich sehr bemüht und bei keinem habe ich den Eindruck bekommen, dass wir nur lästiges Beiwerk sind.

An dieser Stelle auch gleich Danke an alle Schlepppiloten, die uns in den letzten Jahren das Vertrauen der Controller erarbeitet haben, ohne das derartige "Spezialverfahren" gar nicht möglich wären. Mit blöden Sprüchen oder unberechenbaren Verhalten kommst bei den "Großen" sicher nicht weit.

Ebenfalls Dank an unseren Trainer Werner Scheuringer und an unseren Kunstflug-Kollegen Sigi Roßmann, der aus Graz kommend praktisch die gesamte Kunstflug-Grundschulung übernommen hat und uns so für unsere eigene Fliegerei freigespielt hat, sowie an alle Teilnehmer, Betriebsleiter, Helfer, Traktorfahrer, Startlistenschreiber und alle, die ich hier vergessen habe.

Besonderen Dank auch an unsere Tullner Segelfliegerkollegen, die bereit gewesen wären, uns mit ihrer Schleppmaschine auszuhelfen, was aber dann wegen dem Ausfall von einigen Teilnehmern doch nicht notwendig war.

Bei aller Zufriedenheit über die Bewältigung dieser auf den ersten Blick unlösbaren Terminkollisionen und der flugbetrieblichen Hürden möchte ich das 2013er-Trainingslager aber doch wieder in einem etwas überschaubareren Rahmen durchführen.

Übrigens hat auch die Segelkunstflug-Nationalmannschaft unsere Kunstflug-Möglichkeiten erkannt und ab sofort ist auch der Swift in Stockerau stationiert.




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» von Josef Reithofer