Donnerstag - August - 04.08.2011 - 23:35 Uhr
» Segelflieger im Holding
Mittwoch, 3.8.2011: Der Sommer ist für kurze Zeit zurückgekehrt und ich hab mir ab Mittag fürs Segelfliegen Urlaub nehmen können. Schlepppilot ist Franz Bachmayer und ich klinke hinter Hatzenbach in 400m aus. Einen Anschluss finde ich auch gleich und kurz vor 2500ft melde ich mich bei Tulln Turm, was normalerweise nur eine Formsache ist. Heute aber gibt’s zu meiner Überraschung keine Freigabe wegen IFR-Flügen und zwar für die nächsten 1½ Stunden. Na ja, das hamma gleich und ich melde freundlich, dass ich ein Transponder-equipptes Segelflugzeug habe. Genauso freundlich sagt mir der nette Controller vom Militär durch die Blume, dass ich mir meinen Transponder auf den Bauch hauen kann und es auch damit keinen Einflug in die MATZ gibt. Da ist jede weitere Diskussion zwecklos oder wie schon Al Capone gesagt hat: „Mit einem freundliche Wort und einer Waffe erreicht man mehr als mit einem freundlichen Wort alleine“. Ich bin eindeutig der mit dem freundlichen Wort alleine, das Bummerl über mir zerfällt gerade und daher ist jetzt eine rasche Neuorientierung gefragt.
Das nächste zuverlässig aussehende Bummerl ist vor Schönborn und rund 6km vom Flugplatz entfernt, der SO mit 10-15km/h in der Höhe ist auch nicht grad auf meiner Seite und daher würde ich von dort 200 Höhenmeter für den Heimweg brauchen. Plus 250m für die Landung ergeben 450m über Grund, wo ich spätestens heimfliegen muss. 2500ft entsprechen 550m, d.h. mir bleiben genau 100m Arbeitshöhe. Mit so wenig Spielraum 90 Minuten lang zu fliegen wird sehr schwierig bis unmöglich – optimistisch gesehen.
Natürlich wäre es einfacher, jetzt gleich zu landen und die nächsten 1½ Stunden mit einem kühlen Getränk in der Hand abzuwarten, aber das ist erstens unsportlich und zweitens hat Franz nur seine Mittagspause geopfert und fährt grad wieder zur Arbeit.
Mangels Alternativen flieg ich wenig zuversichtlich Richtung Schönborn, aber meine bescheidene Arbeitshöhe ist eh schon in Senning weg und irgendwie fühle ich mich wie ein Kanarienvogel im seinem Käfig. Zum Glück finde ich ganz zartes Steigen, das ich natürlich dankbar annehme und Zeit ist sowieso das einzige, das ich ausreichendem Maß habe. Die 2 km bis Obermallebarn schaffe ich dann halbwegs ohne Höhenverlust und somit bin ich mit viel Glück einmal unter dem einzigen wirklich zuverlässig aussehenden Bummerl.
Mir wird aber auch klar, dass ich so sicher nicht mehr lange durchhalten kann, weil da einfach kein Spielraum für die kleinste Fehlentscheidung vorhanden ist - ich werde mich hier also möglich lange einparken und abwarten. Diese Thermik ist aber so gut, dass ich schon bald ein völlig neues Problem habe: Wie verhindere ich, dass mein Flugzeug in der Thermik weitersteigt. Rausfliegen, weiter unten wieder einsteigen und neu zentrieren ist mit der geringen Arbeitshöhe etwas riskant. Versetzt kreisen mit einen halben Kreis außerhalb geht ganz gut, aber noch besser ist folgendes Verfahren: Im Zentrum der Thermik bis 2500ft steigen, dann auf 180-200km/h beschleunigen und außen herum mit 1-2 großen Kreise 50m abbauen, Fahrt zurücknehmen und wieder ab ins Zentrum. Klingt einfach, aber tatsächlich ist meine Arbeitsbelastung im Cockpit ziemlich hoch: Das Bummerl über mir und die Umgebung wollen ständig beobachtet werden, alle paar Sekunden kontrolliere ich den Höhenmesser und natürlich ist auch noch die Thermik ständig zu zentrieren. Am Funk redet auch ständig irgendwer, da ich mit meinem Funkgerät 2 Frequenzen gleichzeitig abhöre: Unsere Platzfrequenz, weil ich ja praktisch noch fast in der Platzrunde und nur knapp darüber bin und von Tulln kommt ja hoffentlich bald die Freigabe. Noch dazu pfeift das Flarm (Kollisionswarngerät) wenn ich wieder mal etwas tiefer bin, weil es mich vor den Hochspannungsmasten in der Platzrunde warnen will (hab bisher nicht mal gewusst, dass diese in der Hindernisdatenbank gespeichert sind).
Die Thermik erweist sich aber bald als wirklich zuverlässig und nach einiger Zeit probiere ich alles Mögliche, um mein Flugzeug am weitersteigen zu hindern: Mit ausgefahrenen Bremsklappen kreisen geht ganz gut, aber die ständige Quietscherei der Fahrwerkswarnung nervt. Also Fahrwerk auch raus, dann ist zwar das Quietschen weg, aber der offen Fahrwerkskasten brummt unangenehm. Mit 180km/h, 70° Querlage und 3g kreisen macht viel mehr Spass, ist aber auf Dauer körperlich recht anstrengend. Slippend kreisen geht auch - sogar nach innen und nach außen - erfordert aber viel Aufmerksamkeit, weil mit gekreuzten Rudern der Weg zu Trudler nicht mehr weit ist. Letztendlich ist das alles eine schlimme Vergewaltigung meiner LS4, aber so vertreibe ich mir halt meine Zeit. Nach einer Stunde frage ich ganz demütig noch mal um die Freigabe und bekomme als Antwort nur „expect entering in 30 minutes“ – OK, ich sag eh nix mehr.
Dann kommt eine in Stockerau recht oft zu beobachtende Phase, wo sich um 14 Uhr herum die Strömungsverhältnisse irgendwie umstellen und für einige Zeit die Thermik komplett zusammenbricht. Aus großer Höhe kein Problem, aber ich grundel ja immer noch in 2500ft herum. Die letzten Höhenreserven sind schnell weg und das war‘s dann wohl – ab Richtung Flugplatz. Über dem Sierndorfer Lagerhaus noch ein allerletzter Verzweiflungskreis und plötzlich beginnt die Thermik wieder zu blubbern, so dass ich wieder auf 2500ft steigen kann – das war aber echt knapp.
Militärisch präzise kommt genau 90 Minuten nach der ersten Anfrage endlich der erlösende Funkspruch „D-1387, entering MTMA up to 4500ft approved“ – nur saufe ich gerade wieder ab, weil sich anscheinend die Thermik noch nicht zuverlässig genug ausgebildet hat. Das kann jetzt aber nicht wahr sein, dass ich trotz Freigabe landen muss – Gnade!
Nutzt alles nix – wieder schleiche ich mich ohne Höhenreserve in die Position zu Landung. Diesmal zupft es über Oberolberndorf recht zaghaft, aber das reicht mir schon um auf 1000m zu steigen.
Nach fast 2 Stunden und geschätzten 200-300 Kreisen bin ich endlich an der nächsten Luftraumgrenze in 4500ft, von wo aus aber die Welt für uns Segelflieger schon viel freundlicher ausschaut.
Die restlichen 3½ Stunden sind entspannendes Genuss-Segelfliegen und zum Schluss fliege ich noch mit knapp 250km/h in die TMZ Wien und über die Burg Kreuzenstein, nur damit mein Transponder auf diesem Flug auch noch seine Daseinsberechtigung bekommt.


Fazit:
Diese Flug war alles andere als einfach und ist völlig anders verlaufen als ich eigentlich geplant habe.
Möglich sind solche Flüge nur mit einem Flugzeug, das man wirklich gut kennt, einem Streckenflugrechner, dem man vertrauen kann, viel Übung und noch mehr Glück.
Letztendlich sind es aber genau diese Flüge, die in Erinnerung bleiben und ich möchte ihn auf gar keinen Fall missen.
Und unsere Avgas-Brüder und -Schwestern bekommen vielleicht einen kleinen Einblick, warum auch stundenlanges Kreisfliegen im Platzbereich recht spannend sein kann.

Link:
Logger-Aufzeichnung




» Druckversion zeigen
» von Josef Reithofer